To’okena Tag 4

Fast pünktlich um 07.00 Uhr machten wir uns mit Pastor Ape und seiner Frau auf den Weg an einen der Aussenplätze von To’okena im Lamarigebiet.Ahea nannten sie den Ort. Wir liessen uns überraschen, wo dieser ganz genau liegt. Am Tag zuvor wurde uns schon gedeutet, wo dieses Ahea in etwa zu finden ist, dass wir einen Fluss, der teilweise sehr viel Wasser mitführt, überqueren müssen und wir danach einem Weg durch den Wald folgen würden. Innerlich war ich ein wenig nervös. Was uns wohl erwarten würde und ob wir genügend fit waren, um das Dorf erreichen zu können? Ich schickte ein Gebet zum Himmel, worauf ich mich zuversichtlicher fühlte.

Die erste Hürde stellte der Fluss dar. Das Wasser floss zwar nicht reissend, doch für uns war es blöd, schon jetzt die Schuhe auszuziehen und danach mit nassen Füssen in die Schuhe zu schlüpfen. Anscheinend war dies Pastor Ape bewusst und er führte uns ein wenig Flussabwärts, um eine geeignete Stelle zum Überqueren zu finden. Als er sich für eine Stelle entschieden hatte, sagte er uns, wir sollen schnell warten. Er watete in den Fluss und trug ein paar grosse Steine zusammen, auf denen wir dann hüpfend den Fluss überqueren konnten. Ich weiss nicht, was sich die Schulkinder bei diesem Schauspiel wohl gedacht haben. Sie, welche barfuss den Fluss ohne Schulterzucken durchqueren und wir Weissen, die sich unsicher den Weg durch das kühle Nass bahnen. Einige sind sogar stehen geblieben, damit sie alles gut in sich aufnehmen konnten.

Am anderen Ufer angekommen, wanderten wir weiter den Hügel hinauf. Es war schon das erste Mal ein steiler Abschnitt, von dem ich hoffte, dass es der einzige blieb. Es kamen uns nicht nur Schulkinder, sondern auch erwachsene Personen entgegen. Mit einem Händeschütteln grüssten wir alle und das Pastorenehepaar erklärte, dass wir nach Ahea laufen. Mit zur kenntnisnehmendem Nicken schaute das jeweilige Gegenüber in die Runde und blieb mit ihrem Blick, für sie wahrscheinlich unauffällig, auf meinem bereits roten Kopf hängen. Danach erwähnte die Person, wohin sie unterwegs sei. Nach nicht allzu langer Zeit verliessen wir die breite, roterdige Strasse und bogen links in einen Trampelpfad ein. Manchmal verlief der Weg gerade, manchmal eher geschwungen, doch stetig aufwärts. Die Erde war noch nass und rutschig. Pastor Ape ging voraus und hatte ein zügiges, aber angenehmes Tempo angeschlagen. Wir überquerten kleinere und grössere Bäche. Umgeben waren wir oft von Kaffeesträuchern (oder Bäumen?), die im Schatten der Jaräste (Jar ist eine Baumart) wachsen.

Als wir aus dem ersten Wald am mit Gras überwachsenen Hügel entlang liefen, erhielten wir eine Sicht aufs Tal unter uns und auf die in der Ferne liegenden Hügel / Berge. Da es doch eher noch wolkenverhangen war, war die Sicht in die Ferne noch nicht sehr klar und teilweise wurden die Gipfel von Wolken verdeckt. Immer wieder entdeckten wir an den steilen Hängen angelegte Gärten. Auf der rechten Seite des Weges erhob sich plötzlich ein Zaun aus flachen Holzlatten. Die Pastorfrau erklärte uns, dass dieser Zaun gebaut wurde, damit sich die bösen Geister vom oberhalb gelegenen Dorf fernhalten. Seit jedoch die Gute Nachricht die Leute erreicht hat und sie nun an Gott, den Schöpfer und an seine Macht glauben, haben sie den Zaun grösstenteils abgerissen. Früher hatte er sich noch viel weiter erstreckt, als auf diesem Bild ersichtlich. Einige Schritte weiter wurden wir auf einen Strauch mit weissen Blüten aufmerksam gemacht. Ape erklärte uns, dass sobald diese Art von Busch anfing zu blühen, sich die Leute im Wald oder Busch auf die Suche nach Kasuareiern (Kasuar ist ein straussähnlicher Vogel) machte. Spannend an was sich die Neuguinesen orientieren.

Nun war es anscheinend nicht mehr weit bis Ahea, wie die Pastorenfrau uns mitteilte. Doch was nicht mehr weit für sie wohl bedeutet? Beim Laufen hörten wir nun öfters ein Gejohle aus den Mündern des Pastorenehepaars. Sie grüssen die Leute, die oben auf den Hügeln in ihren Hütten sitzen. Wir gehen nach Ahea, riefen sie hinterher. Von einigen vernahmen wir, dass sie in dem Fall auch dorthin kommen. Sie blieben jedoch noch sitzen.

Es wurde zunehmend wärmer, die Sonnenstrahlen bahnten ihren Weg durch die Wolkendecke. Der Weg war schnell trocken, sofern er nicht im Wald verlief. Im Wald mussten wir einige Male einen Bach überqueren. Dabei führte der Weg steil nach unten zum Wasser. Wir mussten uns an Ranken, Gebüschen und was wir sonst noch in die Finger kriegten festhalten, damit wir nicht direkt im Bach unten landeten. Früher hatte sogar ein Autoweg auf Ahea geführt, für mich fast unvorstellbar.
Als wir den letzten Bach vor Ahea überquerten, auch da mussten wir uns gut an den Wurzeln und Gräsern festhalten, sahen uns Kinder kommen.

Ich musste mich jedoch auf den kurzen Abstieg konzentrieren, damit ich auf den Füssen blieb. Als ich vom Bach in die Richtung schaute, in denen die Kindern noch kurz zuvor standen, war da niemand mehr zu sehen. Ich überlegte mir, ob sie sich wohl versteckten. Doch Pastor Ape sagte bald darauf, dass die Kinder voraus gerannt seien, um unser Ankommen im Dorf anzukünden. Tatsächlich fanden wir eine kleine Kindermenge auf uns warten. Sie trauten sich jedoch nicht in unsere Nähe. Bevor wir das Dorf betraten, machten wir eine Verschnaufpause und tranken etwas. Mein Kopf hatte sich jetzt wahrscheinlich in eine rote Ampel verwandelt. Naja, wir haben ja noch eine Stunde zum Abkühlen. Der Pastor war erstaunt, dass wir bereits unser Ziel erreicht hatten. Für ihn war es halt schwierig einzuschätzen, wie gut wir zu Fuss sind. Wir wurden zum oberen Teil des Dorfes gebeten, wo bereits einige Leute auf uns warteten. Die Kinder, welche im unteren Teil gewartet hatten, begleiteten uns und musterten uns dabei eingehend. Auf dem Dorfplatz angekommen, schüttelten wir einige Hände, verteilten Lächeln und schauten einer Schweinefamilie beim Essen zu.

Wir liefen noch ein wenig umher, wechselten an einem stillen Örtchen schnell unsere Kleidung und setzten uns danach in das Haus Lotu. Ein Mann, der vor Ort wohnte, machte die Moderation. Pastor Ape verkündete die Botschaft und Chregu durfte auch noch ein paar Worte verlieren. Nach dem Gottesdienst gab Chregu dem Pastor, der vor Ort lebte, einige Kinderbücher, welche wir speziell für die Kinder mitgenommen haben. Bei ihm und seiner Familie waren wir dann auch zum Mittagessen eingeladen. Es wurde jedem von uns eine grosse Schüssel mit Reis und Kumu, welches zum Leidwesen von Chregu mit Thunfisch angereichert war, gereicht. Das Pastorenehepaar von Ahea erzählte uns, woher sie kommen, was ihr Anliegen für die Bevölkerung von PNG ist und noch einige andere Dinge. Zum Beispiel dass Wanus das letzte Dorf vor dem Busch war (ungefähr östlich von To’okena gelegen). Und wenn man von dort durch den Busch lief, man dann irgendwann nach Lae an die Küste kommen würde. Liefe man südlich von To’okena über Berg und Tal, durch den Busch und steile Hänge hinauf und hinunter käme man in zwei Wochen in Port Moresby an. Dazu müsste man jedoch sehr fit sein und genau wissen, wo die Leute im Busch wohnen, damit man dort mit ihnen essen konnte. Auch vor gefährlichen Tieren müsste man sich in Acht nehmen.

Nach dem Mittagessen machten wir uns auf den Rückweg. Es war ziemlich schwül und unsere Begleiter wollten vor dem Regen zurück in To’okena sein. Wir natürlich auch. So bogen wir irgendwann rechts vom Weg, den wir am Morgen genommen haben, ab und nahmen die Abkürzung. Diese wollten Ape und seine Frau am Morgen noch nicht gehen, da es noch sehr nass und rutschig war. Bevor wir wieder in den Wald kamen, hatten wir eine schöne Fernsicht. Wir fühlten uns fast wie in der Schweiz 😉

Auch wenn der Boden mittlerweile trocknen konnte, war es im Wald teilweise noch immer rutschig. Stellenweise führte uns der Weg steil abwärts. Gut gab es hie und da Wurzeln, auf denen wir unsere Füsse für einen guten Stand platzieren konnten. Auch um die Kaffeestrauch, welche uns umgaben waren wir oftmals froh. Die Bäume endeten vor einem Fluss. Es war derselbe Fluss, den wir zu Beginn überquerten, jedoch befanden wir uns nun an einer Stelle weiter oberhalb. Bevor wir zum Wasser kamen, stiess der Pastor wieder eines seiner Gejohle aus, welches wir schon vom Morgen kannten. Er hat wohl jemanden gesehen. Tatsächlich, für zwei Frauen war es gerade Badezeit. Sie trugen beide ein T-Shirt, was die Lage für uns nicht prekär machte. Diesmal zogen wir die Schuhe aus und wateten durch das kühle Nass. Es tat richtig gut. Auf der anderen Seite trockneten wir unsere Füsse mit unseren Ersatzkleidern aus dem Rucksack ab, stülpten die Socken über und schloffen in die Schuhe. Frische Socken wären jetzt super gewesen, aber was solls. Wir sind kurz vor To’okena. Nun ging es wieder aufwärts, zwischen Bäumen und Kaffeesträuchern hindurch, bis sich der Wald lichtete und wir an einer Wiese und an Gärten vorbei liefen.

Noch einmal liefen wir durch einen Wald und stiessen danach auf den Weg, den wir am Morgen genommen hatten. Chregu und ich fanden uns jetzt wieder zurecht und wussten, wir sind kurz vor dem Ziel. Nach ca. 15-20 Minuten erreichten wir um 14.00 Uhr To’okena. Es war ein schöner Ausflug. Ich war froh, stiessen wir nicht an unsere körperlichen Grenzen und konnten doch noch hie und da eine Pause machen und die Schönheit des Landes geniessen. Nun freuten wir uns auf eine Dusche, obwohl sie kalt ausfallen wird.
Am späteren Nachmittag verliessen wir das Haus nochmals und schauten uns die Blumen um das Haus genauer an. Der Kaktus blühte gerade und stellte seine gelben Blumen zur Schau. Mir wurde gesagt, dieser Kaktus hatte dazumal Elisabeth Gyger gepflanzt. Schön, dass nicht nur das Früchte trägt, was sie in den Herzen der Bewohner von To’okena pflanzte, sondern auch das, welches sie physisch gepflanzt hatte. Über einem Teil des Kaktus hatte sich eine grosse Spinne ihr Zuhause gewoben. Auch Rosen fand ich in der Nähe des Hauses, Lilien und noch andere, die ich nicht benennen kann. Am Abend wurden wir mit einem wunderschönen Sonnenuntergang belohnt. Ein schöner und interessanter Tag neigte sich dem Ende zu.

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